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Transition

Der Übergang von der Jugend- zur Erwachsenenmedizin

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Paula ist 17 Jahre alt und lebt seit 12 Jahren mit einer chronischen Erkrankung.

Enzo ist 21 Jahre alt, auch er lebt seit 5 Jahren mit derselben chronischen Erkrankung.

Paula und Enzo kennen einander nicht.

Paula macht derzeit eine Lehre, Enzo hat die Matura in der Abendschule nachgemacht und vor kurzem ein technisches Studium begonnen. Beide sind gerne mit Freunden unterwegs und verstehen sich im Großen und Ganzen mit ihren Familien. Paula lebt noch zu Hause, während Enzo seit zwei Jahren in einer WG wohnt.

Rund 15 Prozent der Kinder und Jugendlichen leiden an einer chronischen Erkrankung.

Das Spektrum ist dabei ausgesprochen groß und reicht von bewältigten Krebserkrankungen, körperlichen Behinderungen, Diabetes Typ 1, chronischem Kopfschmerz bis hin zu seltenen Erkrankungen.

Paula wird derzeit mit ihrer Erkrankung in einer großen Kinderklinik betreut. Sie wird nach wie vor von ihrer Mutter zu den Kontrollterminen begleitet. Auch sonst wird sie von der ganzen Familie in ihrer Therapie sehr unterstützt. Dafür ist Paula zwar dankbar. Dennoch erlebt sie die Unterstützung ihrer Familie immer mehr als peinlich, lästig und bevormundend.

Enzo hatte die Kinderklinik schon bald nach seiner Diagnose verlassen. Er zog von zu Hause aus, jobbte, machte die Matura nach und begann schließlich sein Studium. Dabei vernachlässigte er seine Therapie. Das machte sich gesundheitlich bemerkbar. Er besuchte unterschiedliche Internisten, merkte aber, dass sie mit seinem Umgang mit der Erkrankung unzufrieden waren. Er fühlte sich von ihnen meist nicht verstanden. Mit der Zeit nahm er kaum mehr Arzttermine wahr.

Paula steht kurz vor dem Wechsel von der pädiatrischen (=Kinder-) Betreuung in die Erwachsenenbetreuung. Dieser Übergang ist nicht immer ganz einfach. Enzo hat diese Phase, die Transition, schon hinter sich, allerdings ist der Übergang wie bei vielen jungen Menschen nicht besonders gut verlaufen.

Ziel ist, dass junge Menschen mit chronischer Erkrankung nach dem Abschied von den Kinderärzt*innen weiterhin regelmäßig medizinisch betreut sind, sich an die Therapievorgaben halten und die immer wieder notwendigen Zusatzuntersuchungen durchführen lassen.

Der Abschied von den bekannten Gesichtern der Kinderkliniken oder Kinderärzt*innen fällt oft schwer, zudem gibt es im Erwachsenenbereich für manche Erkrankungen weniger Spezialist*innen. Manche jungen Menschen benötigen Jahre, bis sie eine passende medizinische Betreuung finden!

Eine besondere Herausforderung ist für junge Leute, dass sie sich ganz selbständig um ihre Termine, Therapien, Medikamente, Diäten usw. kümmern sollten.
Oft verschlechtert sich während dieser Zeit die Gesundheit.

So wie bei Enzo. Er fühlte sich in der Zeit schwach, hatte Konzentrationsschwierigkeiten, konnte schlecht schlafen, litt unter Essstörungen, Hitzewallungen und Motivationslosigkeit. Das beeinflusste seine Leistungen beim Lernen, aber auch Unternehmungen mit Freunden machten keine Freude mehr. Es war ihm unangenehm, zu einem der ihm bekannten Ärzte zu gehen, da er sich der Vernachlässigung seiner Therapie bewusst war. In seiner Verzweiflung suchte er Rat bei einem Psychologen. Mit ihm gemeinsam entwickelte er neue Motivation für sein Krankheitsmanagement und fasste Mut, zu einem Arzt zu gehen, der ihm in der Vergangenheit sympathisch gewesen war. Im Laufe von vier Monaten verbesserte sich sein Gesundheitszustand. Seine gute Laune und seine Energien kehrten zurück.

Paulas Situation ist anders, weil sie sich gemeinsam mit ihrer Familie und dem vertrauten medizinischen Team Gedanken über den Wechsel machen konnte und macht. Sie spürt die Traurigkeit über den bevorstehenden Abschied, aber gleichzeitig freut sie sich auf die größere Selbstbestimmtheit in der Erwachsenenmedizin. Sie füllt in der Klinik einen Fragebogen zur Transitions-Bereitschaft aus und bespricht die Ergebnisse mit ihrer Ärztin. Danach überlegt Paula mit ihrer Familie die neue Verteilung der krankheitsbezogenen Aufgaben. Demnächst steht auch der erste Kennenlerntermin mit dem Team einer Erwachsenenambulanz an. Trotz Nervosität ist Paula in Vorfreude auf den neuen Lebensabschnitt.

Praktische Tipps für junge Patient*innen
Tipp 1: Lege eine Mappe mit wichtigen Befunden an

Nach wie vor wird nicht alles, was deine Gesundheit betrifft, elektronisch gespeichert. Es ist von Vorteil, alle Befunde und Berichte griffbereit zu haben. Überlege, welche Befunde aus der Mappe du zu neuen Arztterminen unbedingt mitnehmen solltest!

Tipp 2: Meine Gesundheit in 3 Sätzen

Es ist wichtig, dass du für jedes medizinische Gespräch gut vorbereitet bist. In drei Sätzen kannst du deinen Gesundheitszustand und deine Anliegen kurz, einfach und verständlich formulieren.

1. Satz: Nenne deinen Namen, dein Alter, deine Diagnose und kurz deine Krankengeschichte – den Satz kannst du auslassen, wenn du mit deinem Arzt, deiner Ärztin vertraut bist.

2. Satz: Hier beschreibst du deinen derzeitigen Therapieplan.

3. Satz: Hier schilderst du dein derzeitiges Anliegen.

Mit dieser einfachen Zusammenfassung bist du für jedes ärztliche Gespräch gut vorbereitet. Überlege dir, wie sie für dich persönlich aussehen könnte!

Tipp 3: Sammle deine Fragen, Anliegen oder Sorgen schriftlich

bevor du zu deinem nächsten medizinischen Kontrolltermin gehst. In der Gesprächssituation passiert es leicht, dass du deine Fragen vergisst und du nach dem Termin unzufrieden bist. Mit einem Spickzettel oder mit einer Liste in den Notizen auf deinem Handy passiert das nicht. So wirst du zufriedener und sicherer nach Hause gehen.

Profi-Tipp: Sammle deine Fragen plus die Antworten in deiner Mappe und steige so ins Top-Management deiner Gesundheit ein.

Was kann noch helfen?
  • Vorbereitende Gespräche mit den Kinderärzt*innen, mit der Familie, vielleicht mit anderen chronisch kranken Jugendlichen helfen, die Hürden in der Transitionsphase gut zu nehmen.

  • Die Bereitschaft zur Transition oder der richtige Zeitpunkt dafür können mittels Fragebögen (z.B. dem so genannten „TRAQ-GV-15“) festgestellt werden.

  • In der fordernden Phase des Erwachsenwerdens mit den vielen Herausforderungen zusätzlich zur Erkrankung kann es auch helfen, mit Profis für die Psyche - mit Psycholog*innen oder Psychotherapeut*innen - zu sprechen.

Was bedeutet Transition eigentlich

Transitionen bzw. Übergänge sind Teil einer normalen, gesunden Entwicklung und ereignen sich mehrmals über die Lebensspanne hinweg. In der Gesundheitsversorgung bedeutet Transition den Wechsel von der Kinderklinik in die Erwachsenenmedizin. Dabei handelt sich nicht um den einfachen Transfer, sondern um einen länger andauernden Prozess.

Transition bedeutet idealerweise einen zielgerichteten, geplanten Übergang von Jugendlichen und jungen Erwachsenen mit chronischen Erkrankungen von einem kinderzentrierten (pädiatrischen) zu einem erwachsenenorientierten (internistischen) Versorgungssystem.

Gerade zu diesem Versorgungszeitpunkt sind für jugendliche Patient*innen mehrere Herausforderungen gleichzeitig zu bewältigen: einerseits die Verantwortungsübernahme für ein Leben mit einer chronischen Erkrankung und andererseits die normale pubertäre Entwicklung, die Adoleszenz.

Was bedeutet Transition für behandelnde Ärzt*innen?

„Eine Phase des Übergangs in der medizinischen Betreuung - das Erwachsenwerden aus medizinischer Perspektive.“Univ.-Prof.in Dr.in Gabriele Hartmann, Leiterin der Ambulanz für pädiatrische Endokrinologie und Ostoelogie, AKH Wien

„Der Begriff steht für den Übergang der Patient*innen von der Kinder- und Jugendmedizin in die Erwachsenenmedizin, und inkludiert einen umfangreichen Versorgungsprozess sowie eine vielschichtige Patient*innen-Entwicklung.“Assoc.Prof.in Priv.Doz.in Dr.in Greisa Vila, Leiterin der Ambulanz für Hormonelle Erkrankungen, Klinik für Innere Medizin III, AKH Wien

Risiken und Chancen in der Transitionsphase

Risiken bei misslungener Transition

  • Verminderte Lebensqualität
  • Erhöhte Gesundheitskosten
  • Erhöhte Mortalität
  • Erhöhte Morbidität

Chancen bei gelungener Transition

  • Gute Anbindung an medizinische Erwachsenenversorgung
  • Verstärkte Compliance, erhöhte Adhärenz
  • Regelmäßiges Einhalten von Kontrollterminen
  • Weniger Langzeitschäden
  • Verringerte Akutkomplikationen
  • Erhöhte Lebenserwartung

Wie sollten Kinder und Jugendliche auf das Thema vorbereitet werden?

„Die Transition beginnt mit dem nochmaligen Erklären individuell relevanter medizinischer Inhalte, ab dem 14. Lebensjahr, gefolgt von der Schulung von Gesundheitskompetenz und Gesundheitsautonomie und dem Vorbereiten auf den Transfer hin zur Erwachsenenmedizin. “Univ.-Prof.in Dr.in Gabriele Hartmann

Warum ist die Transition so herausfordernd

Patient*innen nennen drei Gründe als die größten Herausforderungen, Barrieren und Probleme in der Transition:

  • Abbruch langjähriger Beziehungen mit betreuenden Kinderärzt*innen
  • Unterschiede in der medizinischen Versorgung von Kindern/Jugendlichen und Erwachsenen
  • Selbständigkeit, Selbstwertgefühlt und die Planungskompetenz von jungen Patient*innen sind mit 18 Jahren selten ausgereift

Was läuft in der Transition aus ärztlicher Sicht gut und was läuft weniger gut?

„Wir freuen uns über unsere neuen persönlichen Transition-Visiten gemeinsam mit unseren Kolleg*innen von der Erwachsenenmedizin, diese werden von den jungen Erwachsenen gut aufgenommen. Dennoch wird uns vermittelt, dass Patient*innen während des Transfers, oder auch danach, der spezialisierten Betreuung verlorengehen. Daran planen wir verstärkt zu arbeiten – im Sinne von institutionell organisierten Transition Case Managern.“Univ.-Prof.in Dr.in Gabriele Hartmann

„Seit einigen Jahren werden gemeinsame Transitions-Visiten durchgeführt. Diese ermöglichen eine personalisierte Aufklärung und „Betreuungs-übernahme“ und helfen auch Missverständnissen vorzubeugen. Nach den ersten Besuchen in der Erwachsenenambulanz halten sich jedoch nicht alle Patient*innen an die Empfehlungen. Während in der Erwachsenenmedizin eine Patientenautonomie und Selbstfürsorge erwartet wird, benötigen manche von der Kinderklinik übernommene Patient*innen auch im jungen Erwachsenenalter eine spezielle Aufsicht/Begleitung, welche institutionell organisiert werden könnte.“Assoc.Prof.in Priv.Doz.in Dr.in Greisa Vila

Informationsbroschüre downloaden

Was ist für mich als behandelnde*r Arzt/Ärztin wichtig?

Eine harmonische Lösung und Weitergabe unter Beibehaltung der spezialisierten Betreuung. Von meinen Patient*innen wünsche ich mir, Verantwortung zu übernehmen und unseren "Nachfolger*innen" Vertrauen entgegenzubringen – und ich wünsche ihnen eine gelungene Transition, einen unbeschwerten Transfer und alles Gute!“ Univ.-Prof.in Dr.in Gabriele Hartmann

„Eine personalisierte Behandlung und Entwicklung, und das wichtigste: ein*e zufriedene*r Patient*in, die/der sich auch gut betreut fühlt. Von meinen Patient*innen wünsche ich mir Compliance, Offenheit, keine Befangenheit; und ihnen wünsche ich eine ausführliche Aufklärung, Zufriedenheit mit der medizinischen Betreuung und eine sehr gute Lebensqualität.“Assoc.Prof.in Priv.Doz.in Dr.in Greisa Vila

Hintergrundinformationen

Bereitschaft zur Transition zeigt sich in folgenden Bereichen:

Autonomie/Selbständigkeit: Damit ist gemeint, z.B. den Alltag selbständig organisieren oder alle Schulaufgaben erledigen können. Es könnte aber auch bedeuten, selbst Rezepte in der Apotheke einzulösen oder Spitalstermine zu planen.

Selbstfürsprache: Das bedeutet, dass die jugendlichen Patient*innen selbständig Gespräche mit dem betreuenden medizinischen Personal führen und auch Fragen stellen und ihre eigenen Anliegen vorbringen.

Gesundheitskompetenz und Krankheitswissen bedeutet zu wissen, was der Körper und die Psyche brauchen, um so gesund wie möglich zu sein. Das umfasst Wissen zu Ernährung, Bewegung, zu Pubertät und Sexualität oder auch zu Krankheiten. Zusätzlich ist wichtig, über Wirkungen und Nebenwirkungen von Medikamenten Bescheid zu wissen.

Therapieadhärenz bedeutet, die vorgeschriebenen Therapiemaßnahmen einzuhalten und den empfohlenen Kontrolluntersuchungen nachzugehen. Therapieadhärenz ist für die Gesundheit und Lebensqualität sehr wichtig.

 
Autorin: Mag.a Dr.in Caroline Culen, Klinische und Gesundheitspsychologin
Das Projekt „Transition in der Pädiatrischen Endokrinologie am Beispiel von Mädchen und jungen Frauen mit Turner Syndrom“ war Teil der PhD Thesis von Frau Mag.a Dr.in Caroline Culen an der Medizinischen Universität Wien, Public Health, Supervisor Univ.-Prof.in Dr.in Gabriele Hartmann. Einzelprojekte wurden gefördert durch Investigator Initiated Grants von Pfizer.



Quellen:

Ertl D-A, Gleiss A, Schubert K, Culen C, Hauck P, Ott J, Gessk A, Haeusler G. Health status, quality of life and medical care in adult women with Turner syndrome. Endocrine Connections. 2018 Apr;7(4):534–43.
Oldhafer M. Transitionsmedizin : multiprofessionelle Begleitung junger Erwachsener mit chronischer Krankheit. Schattauer; 2016.
Watson AR. Non-compliance and transfer from paediatric to adult transplant unit. Pediatric Nephrology. 2000 May 22;14:469–72.
Nakhla M, Daneman D, To T, Paradis G, Guttmann A. Transition to Adult Care for Youths With Diabetes Mellitus: Findings From a Universal Health Care System. PEDIATRICS. 2009 Dec 1;124(6):e1134–41.
American Academy of Pediatrics, American Academy of Family Physicians, Group TCRA. Supporting the Health Care Transition From Adolescence to Adulthood in the Medical Home. PEDIATRICS. 2011 Jul 1;128(1):182–200.

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