„Plötzlich ist klar, dass du nie wieder gesund wirst und dass du nicht mehr alle Zeit der Welt hast. Was tust du dann?“ Vor dieser Frage stand Claudia Altmann-Pospischek im Juli 2013. Sie war gerade 38 Jahre alt, glücklich verheiratet und erfolgreich in der Medienbranche tätig.
Völlig unerwartet hatte sie kurz zuvor einen Knoten in der linken Brust ertastet – ohne familiäre Vorbelastung, trotz regelmäßiger Gynäkolog*innenbesuche. Schon bald darauf stand fest: Es ist tatsächlich Krebs. Und gleich der nächste Schock: multiple Metastasen in Leber und Knochen. Unheilbar. Ein Therapiemarathon begann …
Heute gilt sie als Langzeitüberlebende, wobei die Lebenserwartung bei metastasiertem Brustkrebs von vielen Faktoren abhängt, z.B. dem Alter und dem Tumorstadium bei der Erstdiagnose, etc.1
„Der Krebs ist mein Beifahrer. Ich werde ihn nicht mehr los“, erzählt Claudia, „aber ich lasse mir von ihm nicht ins Lenkrad greifen. Ich gebe die Richtung und das Tempo vor.“ Für Claudia und ihren Mann Peter Altmann stand von Beginn an fest, die verbleibende Zeit bestmöglich zu nützen, das Leben auszukosten – und Positives aus all dem Negativen zu schöpfen. „Ich will anderen betroffenen Frauen Mut und Hoffnung schenken, meine Erfahrungen teilen, zur Vorsorge aufrufen und im Rahmen meines Blogs eine Plattform zur Vernetzung bieten“, betont die Journalistin.
Auf Facebook folgen ihren Postings auf „Claudia’s Cancer Challenge“ bereits über 12.000 Menschen. Auch auf Instagram ist Claudia aktiv.
Die Krebspatientin dokumentiert – nicht zuletzt als Verarbeitungsstrategie für sich selbst – den Verlauf ihrer Krankheit, lässt die Leser*innenschaft an guten wie schlechten Untersuchungsergebnissen teilhaben, schreibt über Ängste, Wünsche, Begegnungen sowie ihr liebstes Hobby: Reisen. „Für England schlägt mein Herz – das ist meine zweite Heimat“, lacht sie. Im Keller seines Hauses hat sich das Paar aus diesem Grund einen stilechten englischen Salon eingerichtet. „Hier kommt der Krebs nicht herein“ – das steht fest.
Mit 38 Jahren erhielt Claudia die Diagnose „metastasierter Brustkrebs“. Seither hat sie ihr Leben neu ausgerichtet, sich der Aufklärung rund um das Thema Brustkrebs verschrieben und sieht sich als Brustkrebsaktivistin.
Die Krankheit wirft natürlich zahlreiche, komplexe Fragen auf, welche die Patientin regelmäßig mit ihrem behandelnden Onkologen, Prof. Doz. Dr. Rupert Bartsch, abklärt: „Wenn ein Arztgespräch bevorsteht, mache ich mir zu Hause eine Checkliste darüber, was ich alles wissen möchte. Prof. Bartsch hat dann stets kluge Antworten, einfache Erklärungen und neue Therapievorschläge für mich parat.“
Mit viel Liebe und Wertschätzung in der Stimme spricht Claudia über ihren Mann: „Peter ist ein wichtiger und toller Begleiter – mein ‚Fels in der Brandung‘. Er ist schließlich co-betroffen.“ Der IT-Fachmann unterstützt Claudia in sämtlichen Lebenslagen, spendet ihr Kraft, begleitet sie zu Arztterminen, trifft mit ihr Therapieentscheidungen und sorgt auch für die so wesentliche Ablenkung vom öden Krankheitsalltag.
Lisa Wiedermann, diplomierte Gesundheits- und Krankenschwester und angehende Breast Care Nurse, steht Claudia nicht nur in medizinischen Belangen zur Seite. Beide Frauen lernten einander im Krankenhaus kennen und pflegen nun eine spezielle Freundschaft auf Augenhöhe. Lisa erzählt über Claudia: „Mir ist noch nie jemand begegnet, der eine derartige Lebensfreude und Energie an den Tag legt.“
Über ihren Umgang mit der Erkrankung bloggt Claudia täglich: „Ich möchte das Gesicht und die Stimme einer Krankheit sein, die ein gewisses Schattendasein führt.“ Als Betroffene will sie informieren, aufklären und Bewusstsein schaffen.
„Ich glaube, das Wichtigste ist einfach, für sie da zu sein“, formuliert Peter seine vordringlichste Aufgabe. Gerade in jenen Zeiten, in denen seine Frau unter massiven Nebenwirkungen der Therapie leidet, ist Peter eine große Hilfe und Stütze – auch bei alltäglichen Dingen, wie zum Beispiel der Wäsche. Er versichert: „Was auch immer nötig ist, werde ich tun.“ Zusammen standen die beiden in den letzten Jahren äußerst schwierige Zeiten durch und haben gelernt, im Hier und Jetzt zu leben.
Lisa Wiedermann nimmt für Claudia eine Doppelfunktion ein: zum einen als Breast Care Nurse, zum andern als liebe Freundin. Die beiden Frauen hatten sich im Rahmen einer Leberbiopsie kennengelernt. Das war der Beginn einer wunderbaren Freundschaft. Lisa erinnert sich: „Ich sagte damals zu meinen Kollegen: ‚Mit der wird es der Krebs nicht leicht haben‘ – und ich sollte Recht behalten. Mir war sofort klar, dass Claudia eine unheimlich starke Frau ist.“
Metastasierter Brustkrebs ist eine niederschmetternde Diagnose – der Krebs hat dann bereits „gestreut“ und gilt als unheilbar. Doch dank neuer Behandlungsmethoden besteht heute die Möglichkeit, trotz Krankheit ein längeres Leben bei weitgehend guter Lebensqualität zu führen. Das beweist Claudia Tag für Tag auf eindrucksvolle Art und Weise.
Über metastasierten Brustkrebs
Brustkrebs ist der häufigste bösartige Tumor bei Frauen, auch Männer können in seltenen Fällen betroffen sein.2
Bei 20-30 % der Patientinnen mit frühem Brustkrebs tritt die Erkrankung – teils nach vielen Jahren – wieder auf und bildet Metastasen.3,4
Metastasierter Brustkrebs betrifft häufig Frauen über 60 Jahre.4
Die durchschnittliche Lebenserwartung bei metastasiertem Brustkrebs ist von vielen Faktoren abhängig, z.B. dem Alter und dem Tumorstadium bei der Erstdiagnose, dem genauen Tumortyp und dem allgemeinen Gesundheitszustand.1
Ca. 6 % der Frauen weisen bei der Erstdiagnose bereits Metastasen auf.2
Ziel ist es, den Betroffenen durch die Behandlung ein möglichst langes Leben bei guter Lebensqualität zu ermöglichen.
Ursachen4
Bislang können Wissenschaft und Forschung noch keine Antwort darauf liefern, warum sich bei manchen Brustkrebspatient*innen Metastasen bilden. Für die Entstehung von Brustkrebs werden aber folgende Risikofaktoren diskutiert:
Gene:
Angeborene Mutationen bestimmter Gene
Gehäuftes Vorkommen von Brust- oder Eierstockkrebs in der Familie
Hormone:
Frühe erste Regelblutung oder späte Menopause (letzte Regelblutung)
Späte oder keine Schwangerschaft
Übergewicht
Hormonersatz-Therapie nach Eintreten der Menopause
Andere Faktoren:
Übermäßige Strahlenbelastung der Brust im Kindes-, Jugend- oder frühen Erwachsenenalter
Rauchen
Alkohol
Diagnose
Die Diagnose kann mittels bildgebender Verfahren und einer Biopsie durch den behandelnden Arzt*die behandelnde Ärztin erfolgen. Welches Verfahren angewandt wird, ist von unterschiedlichen Faktoren – wie zum Beispiel dem Alter – abhängig.4
Bei der Diagnose bestimmt der behandelnde Arzt*die behandelnde Ärztin zunächst das Stadium des Tumors. Dazu wird die Größe des Tumors, der Befall angrenzender Lymphknoten und das Vorhandensein von Metastasen beurteilt. Außerdem wird anhand einer Gewebeprobe analysiert, wie stark das Tumorgewebe vom normalen Gewebe abweicht.4-6 Zusätzlich wird der Tumor anhand seines molekularbiologischen Profils charakterisiert. Diese Gewebeprobe liefert wertvolle Hinweise, welche Therapie für die Patient*innen am effektivsten sein könnte. Für die Therapieentscheidung sind besonders der Status der Hormonrezeptoren und des humanen epidermalen Wachstumsfaktor-Rezeptor relevant.2,4
Stadien der Krebserkrankung7
Anhand bestimmter Kriterien können Krebserkrankungen in unterschiedliche Stadien eingeteilt werden. Mithilfe dieser Stadien können Ärzt*innen einschätzen, wie weit fortgeschritten die Krebserkrankung ist und wie hoch die Wahrscheinlichkeit auf eine vollständige Heilung sein könnte. Außerdem helfen die einzelnen Stadien den Ärzt*innen dabei zu entscheiden, welche Therapie für die Patient*innen am besten geeignet sein könnte. Um das Krebsstadium zu bestimmen, gibt es zahlreiche und komplexe Systeme. Das einfachste System teilt den Tumor in fünf Stadien ein:
Stadium |
Was es bedeutet |
0 |
Auffällige Zellen sind vorhanden, haben sich aber noch nicht in umliegendes Gewebe ausgebreitet. Diese Zellanomalie wird auch als carcinoma in situ (CIS) bezeichnet. Bei CIS handelt es sich nicht um Krebs, es kann sich aber zu einer Krebserkrankung entwickeln. |
I – III |
Es liegt eine Krebserkrankung vor. Je höher die Nummer des Stadiums, umso größer ist der Tumor und umso weiter hat er sich in umliegendes Gewebe ausgebreitet. |
IV |
Der Krebs hat sich bereits in andere Teile des Körpers ausgebreitet und dort Metastasen gebildet. |
Therapie
In der Praxis haben sich verschiedene systemische Behandlungsmöglichkeiten für metastasierten Brustkrebs etabliert. Die wohl bekanntesten sind: Antihormontherapie, Chemotherapie und zielgerichtete Therapien. Welche davon jeweils am besten geeignet ist, hängt von der Art des Tumors ab, sowie von vielen anderen Faktoren wie z.B. Alter, Begleiterkrankungen etc.8 Bei manchen Patient*innen kann auch eine Operation oder Bestrahlung eingesetzt werden.4
Der Hormonrezeptorstatus spielt eine wichtige Rolle für die Wahl der geeigneten Therapie. So wächst ein großer Teil der Brustkrebstypen durch den Einfluss weiblicher Hormone besonders stark. Standard für die Therapie des Hormonrezeptor-positiven Brustkrebses ist eine Antihormontherapie (endokrine Therapie), die den hormonellen Einfluss auf das Tumorgewebe verringert oder gar blockiert. Antihormontherapien werden meist in Kombination mit einer Chemotherapie oder einer zielgerichteten Therapie durchgeführt.8
Solche speziell auf die Hormonrezeptoren wirkenden Medikamente belasten den Körper weniger als eine Chemotherapie.9 Aus diesem Grund empfehlen zertifizierte Brustkrebszentren in Österreich, dass Patient*innen mit Hormonrezeptor-positivem Brustkrebs möglichst eine Antihormontherapie erhalten sollen.10 Bei den endokrinen Behandlungsmöglichkeiten handelt es sich in vielen Fällen um Medikamente zum Schlucken (oral einzunehmen). Um eine optimale Wirkung zu entfalten, ist es wichtig, dass sie regelmäßig eingenommen werden.
Trotz der insgesamt geringeren Nebenwirkungen kann es auch bei der Antihormontherapie zu unerwünschten Ereignissen kommen. Da mit der Antihormontherapie eine Art künstliche Menopause herbeigeführt wird, kommt es oft zu typischen Symptomen der Wechseljahre: Hitzewallungen, Haarausfall und trockene Schleimhäute im Vaginalbereich sind einige der möglichen Nebenwirkungen.11
Bei einer Chemotherapie werden den Betroffenen sogenannte Zytostatika verabreicht, die das Wachstum der Tumorzellen hemmen sollen. Zytostatika hemmen insbesondere Zellen, die schnell wachsen. Da Tumorzellen schnell wachsende Zellen sind, wirken Zytostatika besonders gut bei Tumorzellen. Leider werden aber auch gesunde Körperzellen, die sich rasch teilen, durch die Chemotherapie in ihrem Wachstum gehemmt. Besonders davon betroffen sind die Schleimhaut des Magen-Darm-Trakts oder die Zellen der Haarwurzeln. Daher rühren auch die typischen Nebenwirkungen einer Chemotherapie: Übelkeit und Haarausfall.12
Zielgerichtete Therapien zeichnen sich dadurch aus, dass sie spezifisch Tumorzellen angreifen. Da bei zielgerichteten Therapien – im Gegensatz zur Chemotherapie – gesunde Zellen eher wenig beeinträchtigt werden, sind diese Therapien für den Körper weniger belastend.
Zielgerichtete Therapien können auf unterschiedliche Art und Weise wirken: Bestimmte Wirkstoffe binden an Rezeptoren an der Außenseite der Tumorzelle und unterbrechen so einen Signalweg. Die Tumorzelle erhält keinen Befehl mehr, sich weiter zu teilen, und wächst daher nicht mehr weiter. Andere Wirkstoffe unterbrechen direkt den Signalweg, der für das Zellwachstum verantwortlich ist. Zielgerichtete Therapien werden meist in Kombination mit einer Chemotherapie oder einer Antihormontherapie durchgeführt.13
Weitere Informationen
Auf der Webseite www.esgehtummich.at erhalten Patient*innen mit metastasiertem Brustkrebs detaillierte Informationen zu der Erkrankung, Antworten auf die drängendsten Fragen sowie Tipps für den täglichen Umgang mit der Krankheit. Außerdem stehen dort eine Liste mit hilfreichen Servicestellen und Informationsquellen, zum Beispiel über Selbsthilfegruppen und Anlaufstellen bei rechtlichen sowie finanziellen Fragen, zur Verfügung. Ein Glossar erklärt darüber hinaus die wichtigsten Fachbegriffe. Auf der Webseite steht unter „Fragen an meinen Arzt/meine Ärztin“ zusätzlich ein umfassender Fragebogen zum Download zur Verfügung, der zur Vorbereitung auf das Arztgespräch dienen kann.
Quellen:
1. Youlden DR et al. Cancer Epidemiol 2012;36(3):237-248.
2. STATISTIK AUSTRIA, Krebserkrankungen in Österreich 2020.
3. O’Shaughnessy J et al. Oncologist 2005; 10 Suppl 3: 20–29.
4. Mammakarzinom der Frau. DGHO Deutsche Gesellschaft für Hämatologie und Medizinische Onkologie e.V. Verfügbar unter https://www.onkopedia.com/de/onkopedia/guidelines/mammakarzinom-der-frau/@@guideline/html/index.html, (Letzter Zugriff: Dezember 2022).
5. Greene FL. et al. CA 2008; 58(3): 180-190.
6. Klassifikation von Tumoren (TNM-System & Grading). DIGIMED Verlag GmbH. https://www.krebsgesellschaft.de/onko-internetportal/basis-informationen-krebs/basis-informationen-krebs-allgemeine-informationen/klassifikation-von-tumoren-tnm-.html, (Letzter Zugriff: Dezember 2022).
7. Cancer Staging. National Cancer Institute. https://www.cancer.gov/about-cancer/diagnosis-staging/staging, (Letzter Zugriff: Dezember 2022).
8. Leitlinienprogramm Onkologie (Deutsche Krebsgesellschaft, Deutsche Krebshilfe, AWMF): Patientinnenleitlinie Metastasierter Brustkrebs. https://www.leitlinienprogramm-onkologie.de/patientenleitlinien/brustkrebs/, (Letzter Zugriff: Dezember 2022).
9. Brustkrebs: Antihormontherapie. Deutsches Krebsforschungszentrum (DKFZ) Krebsinformationsdienst. https://www.krebsinformationsdienst.de/tumorarten/brustkrebs/hormontherapie.php, (Letzter Zugriff: Dezember 2022).
10. Anforderungskatalog für die Zertifizierung von Brustgesundheitszentren. Version 6.1 vom 13.01.2021. Österreichische Zertifizierungskommission. http://www.zertifizierungskommission.at/56/anforderungen-zur-zertifizierung, (Letzter Zugriff: Dezember 2022).
11. Antihormonelle Therapie bei Brustkrebs. Deutsche Krebsgesellschaft. https://www.krebsgesellschaft.de/onko-internetportal/basis-informationen-krebs/krebsarten/brustkrebs/therapie/hormontherapie.html, (Letzter Zugriff: Dezember 2022).
12. Brustkrebs - Chemotherapie. Deutsche Krebsgesellschaft. https://www.krebsgesellschaft.de/onko-internetportal/basis-informationen-krebs/krebsarten/brustkrebs/therapie/chemotherapie.html, (Letzter Zugriff: Dezember 2022).
13. Zielgerichtete Therapie bei Brustkrebs. Deutsche Krebsgesellschaft. https://www.krebsgesellschaft.de/onko-internetportal/basis-informationen-krebs/krebsarten/brustkrebs/therapie/molekularbiologische-therapie.html, (Letzter Zugriff: Dezember 2022).